Die „Materie“ hat sich in der Szene der zeitgenössischen Bauplanung eine wichtige Rolle erobert. Und zwar als Protagonist, der sowohl die symbolische als auch die substanzielle Bedeutung des Materials, aus dem die „menschlichen Gegenstände“ gemacht sind, zum Thema hat.
Material Spirit. Der freigelegte Geist der Materie
19 October 2023
Von der Kunst über das Design bis zu den gewohnten Objekten in unseren Wohnungen sehen wir eine Entwicklung, die die Materialien (mehr als bisher) zu einer Ressource macht, die nicht nur schützenswert ist, sondern die wir kennen, lieben und in den Mittelpunkt des Projekts rücken. Dieser Trend, der sich in den letzten Jahren als Konstante herausgebildet hat, zeugt von echtem und zunehmendem Interesse an den Materialien und an ihren ästhetischen, funktionellen und experimentellen Aspekten. Er zeigt sich in Objekten, Produkten und Architekturen, in denen die Materie selbst das Projekt definiert. Das geht weit über ihre funktionellen und optischen Merkmale hinaus, die allein völlig unzureichend wären, um den eigentlichen Charakter der materiellen Realität zu definieren. Die Innovation beginnt also direkt mit der Materie und mit ihrer Vitalität; sie lotet die ihr eigenen Eigenschaften aus und unterstreicht ihre Natur und ihre Geschichte. Ausgehend von der Materie, die bloßgelegt wird, um eine jeweils neue, kreative und passende Sprache zu entwickeln und zur Geltung zu bringen.
Das 2018 gegründete und 2020 mit dem Wallpaper Design Award 2020 ausgezeichnete Berliner Designstudio Vaust interpretiert Innendesign, Architektur und Kunst mittels einer besonderen Ästhetik-Sprache, deren Fokus auf der puren Materie liegt. In den sieben Arbeiten von Total Exposure verwandelt Waschbeton gemeinsam mit gebürstetem, glänzendem Aluminium Gegenstände trotz ihrer unverändert ursprünglichen und groben Kraft in Designobjekte mit einer künstlerisch-poetischen Seele: Beistelltische, ein Raumduftspender, Vasen und Bodenskulpturen... Die Objekte sind an den einfachen, soliden Linien der Brutalismus-Architektur und ihrem grob behauenen Waschbeton inspiriert, den wir bereits von den Wohnblöcken aus der Zeit des kalten Krieges kennen.
Der aus verkohlten Korkplatten bestehende Monk Chair wurde kürzlich auf dem Lake Como Design Festival 2023 in der Contemporary Design Selection präsentiert. Der Stuhl stammt von dem belgischen Designer Cedric Etienne, der für seine originelle, kreative Philosophie bekannt ist, die allen seinen Arbeiten zugrunde liegt: Ihr zufolge sind Architektur und Philosophie beim Kreieren und Planen gleichermaßen wichtig. Gemeinsam mit dem kleinen Team aus Innendesignern vom Studio Corkinho sucht der Designer das pure Wesen der Materie. Und fand den Kork, in dem er ein edles und zeitgemäßes Material sieht, das viel mehr sein kann als ein einfaches Verkleidungsmaterial. Cedric zufolge «führt uns der Geist der Architektur, wenn wir ihm intensiv zuhören, zurück zum Wesentlichen».
Boost Natural von Atlas Concorde
In Zusammenarbeit mit dem Architekten Matteo Brioni wurde die Welt von Boost um Boost Natural ergänzt. Ein Feinsteinzeugbelag in neutralen, staubigen Farben, dessen Optik an der rohen Erde inspiriert ist. Mit dieser Kollektion setzt Atlas Concorde seine Studien über das Wesen der Materie fort und konzentriert sich auf die rohe Erde, die, wie der Architekt Brioni postuliert, «die Fähigkeit besitzt, Schönheit in die zeitgenössische Architektur zu bringen». Die Harmonie der Kollektion aus Farbe, Textur und Verwendungsweise bringt die innerste Natur der Materie, an der sie inspiriert ist, zur Geltung.
Für Unternehmen oder Einzelhändler, die dem Trend Material Spirit folgen wollen, lauten die Hauptaspekte:
- Materie als Kern des Projekts: Aus den Materialien immer wieder andere Elemente extrahieren, um mit den Produkt- oder Architekturprojekten stets neue Geschichten zu erzählen.
- Schlichte Optik: Optik als Ausdruck einer inneren, tiefen Wesentlichkeit, beginnend mit den stofflichen oder formalen Aspekten.
- Neue, kreative Sprachen: Studium der Materie zur Identifizierung der Elemente, die sich in eine kreative Sprache verwandeln lassen.
- Ur-Emotionen: Mit der Materie Emotionen wecken, die anziehend, aber auch abstoßend sein können.